- Genetik: Chemischer Aufbau und Funktion der Gene
- Genetik: Chemischer Aufbau und Funktion der GeneGene, Chromosomen, RekombinationDie Genetik ist die Wissenschaft von der Funktion der Gene und wird heute in die klassische und molekulare Genetik eingeteilt. Die Genetik als eigenständige Wissenschaft begann mit der Entdeckung der Vererbungsregeln durch den Augustinermönch Johann Gregor Mendel (1865/66). In seiner Arbeit »Versuche über Pflanzenhybriden« weist Mendel mit seinen Kreuzungsexperimenten an Gartenerbsen nach, dass bestimmte Merkmale (Phäne) wie beispielsweise die Blütenfarbe (weiß oder rot) oder die Form der Erbsenfrucht (glatt oder runzelig) durch einzelne Erbfaktoren (Gene) bestimmt werden.Mendel zeigte, dass ein Gen in verschiedenen Zustandsformen, heute Allele genannt, vorkommt. Bei dem Gen für die Blütenfarbe der Erbse gibt es zum Beispiel das Allel für rot und das Allel für weiß. Mendel hat darüber hinaus entdeckt, dass jedes Individuum von jedem Elternteil jeweils ein Allel erbt, und somit von jedem Gen zwei Allele besitzt. Man sagt heute, das Individuum ist diploid (griechisch »diploos«: »doppelt, paarweise«). Von diesen zwei Allelen kann ein Elternteil aber nur jeweils eines an einen Nachkommen weitervererben. Jede neue Generation trägt also eine Mischung der Allele der Eltern in sich.Eine zweite Entdeckung Mendels ist die Dominanz beziehungsweise Rezessivität eines Allels. Da jedes Individuum für jedes Gen zwei Allele besitzt, können entweder zwei gleiche oder zwei verschiedene Allele in einem Individuum zusammenkommen.Bleiben wir bei Mendels Beispiel der Blütenfarbe der Erbse: Wenn in einer Erbsenpflanze zwei gleiche Allele vorhanden sind, beispielsweise beide Allele für weiße Blütenfarbe oder beide Allele für rote Blütenfarbe, dann ist die Blüte im ersten Fall weiß und im zweiten Fall rot. Man nennt solche Individuen reinerbig oder homozygot. Wenn aber in einer Erbsenpflanze sowohl das Allel für weiße Blüten als auch das Allel für rote Blüten vorhanden ist, handelt es sich um ein mischerbig oder heterozygot genanntes Individuum. Meistens ist eines der beiden Allele beherrschend (dominant). Im gewählten Beispiel ist das Allel rot dominant über das Allel weiß. Damit werden genetisch mischerbig rot-weiße Erbsen einheitlich rote Blüten entwickeln, obwohl sie auch das rezessive Allel für weiße Blüten tragen. Das bedeutet, dass jedes diploide Individuum eine Reihe von Erbanlagen hat, die während seines ganzen Lebens niemals ausgeprägt werden. Die Existenz rezessiver Allele, die als Merkmale bei dem Träger überhaupt nicht in Erscheinung treten, hat weit reichende Konsequenzen für die Beurteilung von genetischen Risiken beim Menschen und für die genetische Familienberatung. Mendels Erkenntnisse waren offensichtlich ihrer Zeit so weit voraus, dass sie zu seinen Lebzeiten selbst von der Fachwelt nicht verstanden und daher nicht zur Kenntnis genommen wurden. Erst 35 Jahre nach ihrer Veröffentlichung (und 16 Jahre nach Mendels Tod) wurden die Mendel'schen Vererbungsregeln durch die drei Wissenschaftler Carl Erich Correns, Erich Tschermak Edler von Seysenegg und Hugo de Vries wieder entdeckt.Heute wissen wir, dass nicht in allen Allelkombinationen ein Allel dominant ist. Vielmehr gibt es die Möglichkeit, dass sich zwei unterschiedliche Allele jeweils nur unvollständig durchsetzen. Ein Beispiel dafür ist die Blütenfarbe der japanischen Wunderblume. Wenn in einer Pflanze die beiden Allele für weiße und rote Blütenfarbe zusammenkommen, bekommen die Blüten eine Mischfarbe aus weiß und rot, nämlich rosa. Man spricht hier auch von einem intermediären Erbgang, weil das Merkmal zwischen beiden reinerbigen Ausprägungsformen liegt. Ein anderes Beispiel sind die menschlichen Blutgruppen.Vereinfacht dargestellt gibt es die Blutgruppen A, B, AB und Null. Das Blutgruppengen kommt in den Allelen IA, IB oder i0 vor. IA und IB sind jeweils dominant über i0, wenn ein Mensch also die Allele IA, und i0 besitzt, hat er die Blutgruppe A, ist von seinem Genotyp aber A0. Besitzt er die Allele IBi0, so entwickelt er die Blutgruppe B. Nur wenn beide Allele i0i0 vorliegen, wird Blutgruppe Null entstehen.Was geschieht aber, wenn die beiden gegenüber i0 dominanten Allele IA und IB in einem Menschen zusammenkommen? Dann kommt es zu dem relativ seltenen Fall, dass beide Allele ausgeprägt werden, und die mischerbigen Träger der Allele A und B entwickeln die Blutgruppe AB. Weil beide Allele sich dominant verhalten, spricht man auch von Kodominanz. Die Dominanz eines Allels spielt in der modernen Gentechnologie eine wichtige Rolle, denn es ist praktisch unmöglich, ein gentechnisch eingeführtes rezessives Allel in Anwesenheit eines dominanten Allels zu erkennen.Mendel hat in einer weiteren Serie von Experimenten die unabhängige Vererbung von Genen entdeckt. Mendel zeigte damit, dass die unterschiedlichen Merkmale der Eltern unabhängig voneinander auf die Nachkommen vererbt werden. Heute wissen wir, dass die Unabhängigkeitsregel nur für einen Teil der Gene eines Organismus stimmt. Dank der Arbeiten von Thomas Hunt Morgan an der Taufliege Drosophila melanogaster ist klar, dass die meisten Gene nicht unabhängig voneinander, sondern in Gruppen mehr oder weniger fest aneinander gekoppelt — in Kopplungsgruppen — vererbt werden.Den Kopplungsgruppen entsprechen auf materieller Ebene die Chromosomen. Diese während der zwei Arten der Kernteilung (Mitose und Meiose) mikroskopisch sichtbaren Strukturen enthalten die Gene. Jedes Chromosom ist in einer Zelle vor der Zellteilung aus zwei identischen Schwesterchromatiden aufgebaut.Bei der Kern- und Zellteilung werden die beiden Chromatiden getrennt, sodass nach einer Zellteilung ein Chromosom nur noch aus einer Chromatide besteht. Eine Chromatide enthält nach heutigem Kenntnisstand neben vielen verschiedenen Eiweißmolekülen ein einziges, langes, lineares Desoxyribonukleinsäure-Molekül, auf dem Tausende von Genen lokalisiert sind. Die Gene eines Chromosoms hängen sozusagen alle am gleichen Faden, was letztlich die Kopplung erklärt, nämlich die Tendenz, immer als gemeinsame Gruppe vererbt zu werden.Fast genauso wichtig wie die Tatsache, dass Gene gekoppelt sein können, ist aber ein weiteres Ergebnis von Morgans Arbeiten, das zeigt, dass eine Kopplung von Genen auch aufgelöst werden kann. In einem Teil der Nachkommen entstehen fast immer vom Elterntyp abweichende Neukombinationen von Genen. Die Unterbrechung (Aufhebung) der Kopplung ist kein Unfall oder ein rein zufälliges Ereignis, sondern wird durch einen ganz elementaren biologischen Mechanismus, die homologe Rekombination (englisch: Crossing-over), verursacht. Die Rekombination sorgt dafür, dass väterliche und mütterliche Gene, auch wenn sie auf einem Chromosom (also einer Kopplungsgruppe) liegen, regelmäßig in der Meiose (Reduktionsteilung) ausgetauscht und neu gemischt werden.Die natürliche Rekombination ist im Prinzip ein Vorgang, wie er bei der Gentechnologie künstlich und gezielt im Reagenzglas durchgeführt wird. Gentechnische Arbeiten werden deshalb häufig auch als In-vitro-Rekombination (lateinisch »in vitro«: im Glas) bezeichnet.Die molekulare Struktur der ErbsubstanzWie sind nun die Gene, die Mendel durch seine Kreuzungsexperimente entdeckt hat, chemisch aufgebaut, und wie entfalten sie ihre Wirkung?Aufbau der DNABis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war nicht klar, welcher der vielen Stoffe, aus denen die Lebewesen aufgebaut sind, die Gene trägt. Viele Forscher vermuteten, dass eigentlich nur die Proteine (Eiweißstoffe) als Erbsubstanz infrage kommen. Der Grund für diese, wie wir heute wissen, falsche Annahme, war die Vorstellung, dass für die vielen genetischen Eigenschaften ebenso viele verschiedene Stoffe als Erbsubstanzen existieren müssten. Es war bekannt, dass jede erbliche Eigenschaft durch ein eigenes Gen bestimmt wird, und man glaubte, dass jedes Gen wiederum ein eigener Stoff sein müsste. Von den in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannten Biomolekülklassen waren nur die Proteine in einer entsprechenden Vielfalt vorhanden, sodass der Schluss nahe lag, die Proteine seien die Träger der Gene. Man wusste zwar, dass die Desoxyribonukleinsäure (DNA von englisch »desoxyribonucleic acid«) in den Chromosomen vorhanden war und dass die Chromosomen ihrerseits bei der Zellteilung auf die Tochterzellen verteilt wurden. Es war auch bekannt, dass die Keimzellen die Desoxyribonukleinsäure enthalten. Es war aber schwer vorstellbar, dass diese chemisch nur aus vier Bausteinen aufgebaute Substanz die Grundsubstanz für Tausende von Genen in Millionen verschiedener Organismen sein könnte.Die DNA ist ein fadenförmiges Molekül, das aus zwei Ketten besteht. Die Ketten — auch Stränge (englisch: strand) genannt — bestehen aus sich wiederholenden Einzelbausteinen, den Nukleotiden, die über kovalente Bindungen (Phosphorsäurediesterbindungen) miteinander verknüpft sind.Die Nukleotide bestehen wiederum aus drei Teilen: einer Phosphorsäure- beziehungsweise der Phosphatgruppe, einem Zuckermolekül (der 2'-Desoxyribose) und einer Nukleobase.In der DNA gibt es vier verschiedene Nukleobasen: Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin. In der später zu besprechenden RNA (Ribonukleinsäure) steht Uracil an Stelle von Thymin. Die Nukleobasen sind mit dem Zuckermolekül verbunden und bilden ein Nukleosid.Das Zuckermolekül hat zwei Positionen (das 3'- und das 5'-Ende), an denen jeweils ein Phosphorsäuremolekül (besser: ein Phosphatmolekül, das Salz der Phosphorsäure) stabil gebunden wird. Auch jedes Phosphorsäuremolekül geht mit zwei Zuckermolekülen gleichzeitig eine Bindung ein, sodass sich eine fortlaufende Verkettung Phosphat-5'-Zucker-3'-Phosphat-5'-Zucker-3'-Phosphat und so weiter ergibt. Damit kann die Kette grundsätzlich unbegrenzt verlängert werden, es entsteht ein Polynukleotid.Die DNA besteht aus zwei dieser Polynukleotidketten, die sich in umgekehrter Orientierung (antiparallel) zusammenlagern und dabei die Form einer rechtsgewundenen Doppelhelix bilden. Die beiden Stränge werden durch die komplementäre Basenpaarung zusammengehalten. Die Basenpaarung erfolgt über relativ schwache Wasserstoffbrückenbindungen (H-Brücken).H-Brücken können sich nur zwischen den passenden, komplementären Basen ausbilden. Adenin paart sich über zwei H-Brücken nur mit Thymin und Guanin über drei H-Brücken nur mit Cytosin. In diesem Komplementaritätsprinzip liegen die wichtigsten Funktionen der DNA begründet. Bei jeder Synthese eines neuen Nukleotidstrangs — und dies gilt nicht nur für DNA, sondern auch für RNA (Ribonukleinsäure) — wirkt einer der beiden DNA-Stränge wie eine Matrize: Es wird an einer bestimmten Position jeweils nur die passende, komplementäre Base eingebaut. Dadurch ist gewährleistet, dass bei einer Verdopplung des DNA-Moleküls zwei identische Kopien des Ausgangsmoleküls entstehen — eine Grundvoraussetzung für die Funktion als Erbsubstanz.Die eigentliche Information wird durch die Abfolge der Basen im DNA-Strang (die Basensequenz) gespeichert. Dabei wirken die Basen wie die Buchstaben eines Alphabets — erst aus der Abfolge mehrerer Basen ergibt sich ein Sinn ähnlich wie etwa ein Wort sich durch die Abfolge mehrerer Buchstaben ergibt.Das entscheidende Experiment, der Beweis, dass die DNA das Trägermaterial für die Gene ist, wurde im Jahre 1944 von Theodore O. Avery und seinen Mitarbeitern John J. R. Macleod und M. McCarty an Bakterien durchgeführt. Die Forscher untersuchten das Phänomen der genetischen Transformation, das 16 Jahre zuvor von dem ebenfalls britischen Wissenschaftler Frederick Griffith entdeckt worden war.Griffith hatte herausgefunden, dass bestimmte (erbliche) Eigenschaften von abgetöteten Bakterien auf lebende Bakterien übergehen können.Er konnte aber nicht beweisen, welche biologische Substanz dabei von dem getöteten Bakterienstamm auf den lebenden Stamm übertragen wird. Avery, Macleod und McCarty haben die Experimente von Griffith wiederholt, aber anstelle der abgetöteten Bakterien die aus den Bakterien isolierte DNA benutzt. Die gereinigte DNA zeigte den gleichen Effekt wie die hitzegetöteten Bakterien. Damit war klar, dass die Desoxyribonukleinsäure das Trägermaterial der Gene ist. Seitdem steht die DNA im Mittelpunkt aller genetischen Forschungen. Nach dieser Entdeckung hat es immerhin noch fast 10 Jahre gedauert, bis die Struktur der DNA im Jahre 1953 durch James Watson und Francis Crick aufgeklärt wurde.Weitere 10 Jahre hat es gedauert, bis das Geheimnis des genetischen Codes durch Marshall Warren Nirenberg und Har Gobind Khorana gelüftet wurde. Heute wissen wir, dass die DNA die Erbsubstanz aller Organismen ist.Transkription und TranslationEine der wichtigsten Funktionen der Gene und der DNA ist es, die Information für den Aufbau von Peptiden und Proteinen (Eiweißmolekülen) zu speichern und deren Synthese zu steuern.Peptide und Proteine sind wie die Nukleinsäuren Kettenmoleküle. Sie sind aus Aminosäuren aufgebaut. Peptide entstehen, wenn Aminosäuren durch Peptidbindungen miteinander verknüpft werden. Ab einer gewissen Kettenlänge spricht man von Proteinen. Gebräuchlich ist, bei 1—10 Aminosäuren von Oligopeptiden zu sprechen, bei 10—100 von Polypeptiden und ab 100 Aminosäuren von Proteinen. Der Sprachgebrauch ist allerdings sehr uneinheitlich: Manche Forscher nennen alle Peptide Proteine, andere verwenden das Wort Protein überhaupt nicht und sprechen nur von Polypeptiden. Tiere bestehen zum Großteil aus Proteinen: Haut, Haare, Nägel, Muskeln, Sehnen, Antikörper und Enzyme sind (fast) reine Polypeptide/Proteine. Neurotransmitter, Endorphine, Knochen, Hormone und andere wichtige Moleküle sind meistenteils ebenfalls Polypeptide/Proteine.Proteine sind erheblich komplexer als die DNA, weil es 20 verschiedene Aminosäuren gibt, welche die Proteine aufbauen. Hinzu kommt, dass die Aminosäuren im Gegensatz zu den Nukleotiden sehr verschieden in ihren chemischen Eigenschaften sind und sich somit auch die Proteine chemisch stark voneinander unterscheiden. Die Aminosäuresequenz (Reihenfolge der Aminosäuren) bestimmt die Eigenschaft eines Proteins.Die Aminosäuresequenz wird ihrerseits wiederum von der Basensequenz der Gene bestimmt. Da aber die DNA nur vier Bausteine hat, damit aber 20 Aminosäuren codieren muss, ist eine Mehrbasen-Eine-Aminosäure-Codierung notwendig. Drei aufeinander folgende Basen (ein Triplett) der DNA stehen für eine Aminosäure des Proteins, und somit sind 43 = 64 verschiedene Aminosäuren codierbar. Bei diesem Triplett-Code bilden drei Basen ein Codon. Obwohl prinzipiell 64 Codons für 20 Aminosäuren zur Verfügung stehen, werden aber nur weniger als 50 tatsächlich benutzt. Eines der 64 Codons ist für den Start einer Peptidkette (und gleichzeitig für die Aminosäure Methionin) reserviert (Startcodon) und drei andere beenden die Synthese einer Peptidkette (Stoppcodons).Dieser genetische Code ist universal, das bedeutet, dass er von allen Organismen mit wenigen Einschränkungen benutzt und auch verstanden wird. Die Universalität des genetischen Codes ist die wichtigste Voraussetzung für die Gentechnologie. Ein Gen, das aus dem Menschen stammt, wird auch in einem Bakterium verstanden, und ein bakterielles Gen funktioniert unter bestimmten Voraussetzungen auch in einer Fliege oder Pflanze.Die Umsetzung der in der DNA gespeicherten genetischen Information (die Expression = Ausprägung von Genen) erfolgt über die Prozesse der Transkription (Umschreibung, von englisch »to transcribe«: »abschreiben«) und Translation (Übersetzung, von englisch »to translate«: »übersetzen«). Bei der Transkription wird eine einzelsträngige Kopie von der DNA in Form einer RNA hergestellt. Die RNA unterscheidet sich von der DNA chemisch nur wenig. Bei der Synthese der RNA gilt uneingeschränkt das Komplementaritätsprinzip, sodass die Nukleotidsequenz der RNA derjenigen in der DNA entspricht. Die RNA löst sich nach der Transkription von der DNA und steht als Messenger-RNA (mRNA, Boten-RNA) für den Übersetzungsprozess bei der Proteinsynthese zur Verfügung.Für die eigentliche Übersetzung des Basencodes der mRNA in die Aminosäuresequenz des Proteins sind noch die Transfer-RNAs (tRNAs) notwendig, die einerseits jeweils spezifisch mit einer Aminosäure beladen sind, andererseits aber als Nukleinsäure das jeweilige zum Codon komplementäre Anticodon tragen. In den Ribosomen erfolgt dann an der mRNA Codon für Codon die Synthese der Aminosäurekette, in dem jeweils nur die passende tRNA mit der entsprechenden Aminosäure beladen an die Syntheseposition gelangt, wo sie die Aminosäure an die wachsende Aminosäurekette anhängt.Steuerung der genetischen AktivitätZu einem Gen gehört aber nicht nur der Abschnitt der DNA, der in der biologisch aktiven RNA repräsentiert ist, sondern auch Teile, welche die Aktivität eines Gens regeln und (zumindest bei höheren Organismen) auch Abschnitte, die während der Reifung (Processing) der RNA als Introns aus der RNA entfernt werden.Darüber hinaus sind fast immer am Ende und am Anfang eines Gens Abschnitte vorhanden, die nicht in Aminosäuren übersetzt werden, die aber für die Funktion der RNA sehr wichtig sind.Ein Gen ist dann aktiv, wenn von seiner DNA eine RNA transkribiert wird. Für das Verständnis ist es notwendig, ein wenig über die Bedingungen zu erfahren, unter denen ein Gen aktiv wird. Genaktivität bedeutet, dass die in der DNA gespeicherte Information in tatsächliche Lebensvorgänge und -strukturen umgesetzt wird. Die DNA beziehungsweise die Gene enthalten die Baupläne und das Programm, nach dem die Baupläne realisiert werden. Die Realisierung erfordert den gesamten Apparat der Zelle, die RNAs und die Proteine, die aber ihrerseits wieder von den Genen diktiert werden.Bei der Besprechung der Genaktivität müssen die Gene in zwei große Gruppen unterteilt werden. Die eine Gruppe enthält Gene, die nahezu immer aktiv sind, die Haushaltsgene. Bei diesen Haushaltsgenen handelt es sich um Gene, deren Produkte jeder lebenden Zelle ständig zur Verfügung stehen müssen. Darunter zählen zum Beispiel die Enzyme, die für den basalen Stoffwechsel der Zelle notwendig sind oder die Proteine, welche die Transkription und Translation besorgen. Die Haushaltsgene werden daher selten oder nie abgeschaltet, sie werden konstitutiv exprimiert, wie es im Fachjargon heißt. Die zweite Gruppe enthält die regulierten Gene, fälschlicherweise häufig auch als Luxusgene bezeichnet. Die regulierten Gene werden nur unter bestimmten Bedingungen aktiv. Dies kann beispielsweise ein bestimmtes Stadium der Entwicklung eines Organismus sein, oder eine spezielle Anpassung an eine besondere Umweltsituation. Je komplexer ein Organismus ist und je differenzierter seine Anpassungsleistungen an seine Umwelt sind, desto komplizierter und präziser werden die Regulationsnetzwerke seiner Gene. Die Steuerung der Gene erfolgt wiederum über bestimmte Abschnitte auf der DNA, die bei den meisten Genen vor dem eigentlich transkribierten Bereich liegen. Auch dabei gibt es wieder Elemente, die immer vorhanden sein müssen, um überhaupt eine Transkription zu ermöglichen, und andere, die eine Transkription nur unter bestimmten Umständen bewirken.Diese DNA-Region wird als der Promotor bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Art Genschalter. An diese Promotorregion binden die zahlreichen Transkriptionsfaktoren und die RNA-Polymerase das Enzym, welches die Synthese der RNA letztlich durchführt. Der Promotor ist aber selbst häufig nicht in der Lage, das notwendige zum Teil sehr drastische Herauf- und Herunterregeln der Transkriptionsaktivität zu bewirken. Dies besorgen dann weitere zum Teil sehr kompliziert gebaute cis-regulatorische Elemente, wie Enhancer, Silencer, Modifier oder bei Bakterien Operatoren.Cis bedeutet in der Genetik, dass es sich um einen DNA-Abschnitt handelt, welcher auf dem gleichen DNA-Faden liegt wie das Bezugsgen.Für die Gentechnologie spielen diese regulatorischen Elemente eine große Rolle, weil die Gene ohne sie nicht oder nur sehr eingeschränkt funktionieren. Häufig können die regulatorischen Elemente nicht ohne weiteres von einer biologischen Art auf eine andere übertragen werden, vor allem dann, wenn beide Arten nur sehr entfernt miteinander verwandt sind.Zusammenfassend kann gesagt werden: Gene sind relativ kleine Abschnitte auf einem längeren DNA-Molekül, die in eine biologisch aktive RNA umgeschrieben (transkribiert) werden. Gene besitzen neben ihren transkribierten Bereichen regulatorische Bereiche, über die die Genaktivität gesteuert wird. Die meisten Gene enthalten die codierte Information für die Zusammensetzung von Proteinen (codieren für Proteine), wobei der genetische Code bei allen Organismen gleich ist. Die Universalität des genetischen Codes ist die Grundvoraussetzung für die Gentechnologie.Prof. Dr. Erwin SchmidtWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Gentechnik: Identifizierung und Lokalisierung von GenenBerg, Paul / Singer, Maxine: Die Sprache der Gene. Grundlagen der Molekulargenetik. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1993.Biotechnologie - Gentechnik. Eine Chance für neue Industrien, herausgegeben von Thomas von Schell und Hans Mohr. Berlin u. a. 1995.Brown, Terence A.: Genomes. Oxford 1999.Brown, Terence A.: Gentechnologie für Einsteiger. Aus dem Englischen. Heidelberg 21996. Nachdruck Heidelberg 1999.Brown, Terence A.: Moderne Genetik. Aus dem Englischen. Heidelberg 21999.Das Genom-Puzzle. Forscher auf der Spur der Erbanlagen, herausgegeben von Hilke Stamatiadis-Smidt u. a. Berlin u. a. 1998.Gentechnik. Einführung in Prinzipien und Methoden, herausgegeben von Hans Günter Gassen und Klaus Minol. Stuttgart u. a. 41996.Gentechnische Methoden. Eine Sammlung von Arbeitsanleitungen für das molekularbiologische Labor, herausgegeben von Hans Günter Gassen und Gangolf Schrimpf. Heidelberg u. a. 21999.Glick, Bernard R. / Pasternak, Jack J.: Molekulare Biotechnologie. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1995.Hagemann, Rudolf: Allgemeine Genetik. Heidelberg u. a. 41999.Hennig, Wolfgang: Genetik. Berlin u. a. 21998.Ibelgaufts, Horst: Gentechnologie von A bis Z. Studienausgabe Weinheim u. a. 1990. Nachdruck Weinheim u. a. 1993.Kaudewitz, Fritz: Genetik. Stuttgart 21992.Kühn, Alfred: Grundriß der Vererbungslehre, bearbeitet von Oswald Hess. Heidelberg u. a. 91986.Lewin, Benjamin: Molekularbiologie der Gene. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1998.Martin, Robin: Elektrophorese von Nucleinsäuren. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1996.Molekularbiologie der Zelle, Beiträge von Bruce Alberts u. a. Aus dem Englischen. Weinheim u. a. 31995. Nachdruck Weinheim 1997.Nicholl, Desmond S.: Gentechnische Methoden. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1995.Passarge, Eberhard: Taschenatlas der Genetik. Stuttgart u. a. 1994.Strachan, Tom / Read, Andrew P.: Molekulare Humangenetik. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1996.Winnacker, Ernst-Ludwig: Gene und Klone. Eine Einführung in die Gentechnologie. Weinheim u. a. 1984. Veränderter Nachdruck Weinheim u. a. 1990.Zukunft der Gentechnik, herausgegeben von Peter Brandt. Basel u. a. 1997.
Universal-Lexikon. 2012.